Wiedersehen

Ein Klassentreffen soll es geben,
nach Jahren voll von prallem Leben.
Jetzt wird das „Damals“ groß geschrieben,
du fragst, wo ist die Zeit geblieben?

Da sitzen Männer, sitzen Frauen,
die dir in deine Augen schauen.
Wer ist wohl der? Und wie heißt die?
Verspüre ich noch Sympathie?

Der eine, fad und überheblich –
du suchst den alten Reiz vergeblich!
Der Schüchterne von einst dagegen
ist heut’ erfolgreich, ja verwegen.

Ein dritter setzt dich dadurch matt,
dass er sich kaum verändert hat.
Den vierten, liebenswert, charmant,
fast hättest du ihn nicht erkannt.

Die Damen, sportlich, lässig, schick,
die eine schlank, die and’re dick –
sind das die Mädchen mit den Zöpfen
und nichts als Flausen in den Köpfen?

Die „Gänschen“ reiften mit den Jahren,
sind selbstbewusst und welterfahren.
Manch frühe Schönheit blieb erhalten,
sie strahlt von innen, trotz der Falten.

Und plötzlich ist der Bann gebrochen.
Es wird gestaunt, gelacht, gesprochen,
so viel Vertrautes wird gefunden,
und wie im Flug vergeh’n die Stunden.

Du tauchst hinab in alte Zeit,
mag sein, dein Herz wird jung und weit,
schon fühlst du dich, froh angeregt,
zu stillem Schmunzeln aufgelegt.

Dem grauen Alltag schadet nie
ein leiser Hauch von Nostalgie.

Helga Zeun