Alte Mittelschule Schneverdingen

Erinnerungen an das Nordbundlager 1953

Erinnerungen an das Nordbundlager des CVJM im Juli 1953 in Schneverdingen

In dem Schreiben der damaligen Jugend-Pastoren Karl Hartig und Fritz Kessler, mit dem wir zu dem Nordbundlager vom 1.7. – 15.7.1953 und vom 15.7. - 30.7.1953 eingeladen wurden, hieß es u.a.: „Wir wollen ein geschlossenes, großes Lager aufbauen. Doch soll jede Gruppe weithin ihr Eigenleben führen, damit sich ein edler Wettstreit untereinander entwickeln kann.“ Zum „edlen Wettstreit“ gehörten auch Gelände- und Kampfspiele. Bei letzteren hatten wir ein Wollbändchen ums Handgelenk. Wem dieses Bänsel im Kampfgetümmel abgerissen wurde, der hatte verloren und war ausgeschieden. Ich befand mich damals gerade im Endstadium meiner Indianerzeit und nahm das Spiel sehr ernst. Ich versuchte mich ins Lager der Gegner, ganz in der Nähe der Bühne des Heideblüten-Festspiels, einzuschleichen, wurde aber entdeckt. Wie wild wehrte ich mich gegen eine handvoll Feinde. Aber schließlich war ich doch besiegt und wurde im Triumph abgeführt. Da ich mich dabei immer noch erbittert wehrte, musste mich erst einer unserer Betreuer überzeugen, dass das Ganze nur ein Spiel war.

Als wir einmal abends am Lagerfeuer saßen, erschraken wir. Plötzlich standen nämlich da wie aus dem Boden gewachsen zwei schwarze Gestalten. Sie kamen aus dem englisch/kanadischen Militär- Camp Reinsehlen. 1953 und dazu noch abends waren Schwarze ein ungewohnter ja unheimlicher Anblick für uns. Einige Tag später wurden wir um Mitternacht unsanft geweckt. Jemand (es war wie sich schnell herausstellte mein Freund Enno Heyken.) blies auf seiner Trompete „Kartoffelsupp, Kartoffelsupp“, also Alarm. Unser Wimpel sei geklaut, hieß es. Wir wurden aufgefordert auszuschwärmen und die Verfolgung der Wimpelklauer aufzunehmen. Es war stockfinstre Nacht und im Wald, nahe dem Irrgarten, in den man angeblich die Wimpelklauer hatte laufen sehen, wurde es nicht heller. Unheimlich, Gänsehaut. Ich hatte es wie die meisen der Kameraden nicht eilig, mich in den Wald zu begeben. Man hörte Rufe, ab und zu knackte es ganz in der Nähe. Ich hatte richtig Schiss. Wie die „Jagd“ ausging, weiß ich heute nicht mehr. Aber es war ein tolles Erlebnis, über das wir noch mehrere Tage Mutmaßungen anstellen und reden konnten.

Unser Lager befand sich auf dem Gelände des Höpenbuur. Dort gab es auch ein Stück Land, mit Heide bewachsen zum Teil, auf dem wir Fußball spielen konnten. Ich erinnere mich an eine Szene während eines Spiels. Ich lief auf einen Gegenspieler zu, der den Ball führte. Sein Mitspieler warnte ihn: „Pass auf, die Sense kommt!“ Das stachelte meinen Ehrgeiz noch mehr an: Ich versuchte diesem Namen gerecht zu werden und fuhr die Sense aus.

Mein Freund erinnert sich: „Da Haus und Stallungen vom Höpenbauer Inselmann unweit vom Zeltplatz standen, kam es vor, dass wir bei Ausflügen über seinen Hof gingen. Einmal hörten wir lautes Gequieke aus dem Schweinestall. Wir sahen durch das kleine Fenster hinein und konnten beobachten, wie kleine Ferkel wie am Fließband kastriert wurden.“ Ein grausamer Anblick, den ich nicht vergessen kann.

Einen wichtigen Platz im Lagerleben nahmen auch die Morgenandachten ein. Ich erinnere mich gut daran, dass sie mit großem Ernst aller Beteiligten zelebriert wurden. Bemerkenswert finde ich heute auch, dass jeder aus dem Lager so eine Andacht gestalten konnte, wenn er das wollte.

In den Tagen nach unserem CVJM-Jubiläum habe ich ein Gedicht über diese Morgenandachten geschrieben. Es ist, wie bei Gedichten sehr häufig, eine aus der Erinnerung stammende Momentaufnahme aus subjektiver Sicht.

Morgenandachten

Im Zeltlager des CVJM
waren Morgenandachten
der heilige Ernst in Person.

In der taugesättigten
Morgenkühle zitternd
dachte ich ans Frühstück.

Ein sportlicher Höhepunkt unserer Lagerzeit war das Spiel einer Handballmannschaft des Nordbundlagers gegen eine Mannschaft des CVJM Schneverdingen auf dem TV-Jahn-Platz. Am Training und an den Vorbereitungsspielen unseres Lagers auf dem alten TV-Jan-Platz hatte ich als Linksaußen teilgenommen. Aber für den Einsatz im großen Spiel war ich nicht gut genug. Während des Spiels saß ich in einem Pulk von Mitgliedern unseres Lagers. Jeder Angriff unserer Mannschaft wurde von Begeisterungsgeschrei begleitet. Ich aber befand mich in einem Gefühlszwiespalt, weil ich mich auch zum CVJM Schneverdingen zugehörig fühlte. Ich konnte nicht mit meinen Lagerkameraden mitbrüllen. Zwar machte ich meinen Mund auf, aber heraus kam nur so etwas wie ein Brummen. Wer damals gewann, weiß ich nicht mehr.

Für unsere Vorbereitungsspiele und andere sportliche Aktivitäten durften wir einige Male die herrlichen Rasensportplätze der englischen Soldaten in Reinsehlen benutzen. Ich meine, wir durften bei den Gelegenheiten sogar dort duschen.

Es wurde auch viel gesungen und marschiert. Wie stolz war ich, wenn wir laut mein Lieblingslied „Wenn die bunten Fahnen wehen“ schmetternd, mit voran flatternden Wimpeln, im festen Tritt auf den Pflastersteinen auf das Dorf Schneverdingen zu marschierten.

Rüdiger Stüwe